US-Forscher verärgert Indianer-Freunde: "Waren die Anasazi Kannibalen?"
Knochenreste weisen verdächtige Spuren auf
In: Mysteries, Nr. 5, Sept./Okt. 2007, Basel 2007
Im Südwesten der heutigen USA lebte einst das Volk der Anasazi. Ihre Kultur gibt bis heute Rätsel auf, die von der archäologischen Forschung noch nicht gelöst werden konnten. Wer veranlasste ca. 850 den plötzlichen und unerklärlichen Kultursprung der Steinzeitbauern zum mysteriösen "Chaco-Phänomen" (benannt nach dem Chaco Canyon in New Mexico, dem Zentrum der Kultur) mit seinen wie am Reissbrett entworfenen, astronomisch orientierten Städten, seinem bizarren Straßensystem und seinen gigantischen, mehrstöckigen Great Houses? Warum kam das Ende des Chaco-Phänomens ebenso abrupt und plötzlich wie sein Anfang? Warum brach diese Kultur zusammen, und warum verschanzten sich die Anasazi während dieser Kollapszeit in unzugänglichen Klippenwohnungen hoch oben in steilen Felswänden? Und warum war um das Jahr 1300 das Anasaziland im Vierländereck von Colorado, Utah, Arizona und New Mexico so gut wie menschenleer? Wohin verschwanden die Anasazi? Auf all diese Fragen gibt es bislang noch keine Antworten.
Das Vierländereck - die Region der Anasazi
Unten: Eine der typischen Klippenwohnungen der Kollaps-Phase der Anasazi
Ein Kapitel der Geschichte des nordamerikanischen Südwestens ist besonders grausam und schaurig. 1967 begann ein junger Anthropologe, Christy G. Turner, die zu dieser Zeit noch als friedlich geltenden Anasazi in einem neuen Licht zu sehen. Turner untersuchte damals prähistorische Menschenzähne im Museum of Northern Arizona in Flagstaff. Seine Arbeit hatte zum Ziel, die Einwanderung von Asien nach Amerika anhand der Untersuchung menschlicher Zähne an prähistorischen Skeletten zu belegen.
Am letzten Tag seiner Forschungsarbeit bat Turner den Kurator des Museums, eine große Kiste von einem oberen Regalbrett herunterzuholen, die ihm schon lange ins Auge gestochen hatte. Die Kiste enthielt laut Aufschrift die Überreste eines Ausgrabungsplatzes am Polacca Wash, einem Arroyo unter der First Mesa des Hopi-Reservates. An diesem Platz war 1964 durch den Archäologen Alan P. Olsen ausgegraben worden. Turner öffnete die Kiste und starrte auf eine bizarre Kollektion von mehr als tausend menschlicher Knochenstücke. "Das sieht ja aus wie Abfälle einer Mahlzeit!" soll Turner spontan ausgerufen haen. Die Fragmente machten auf ihn den Eindruck von zerbrochenen und angebrannten Tierknochen, wie man sie in Anasazi-Abfallhaufen gefunden hatte. Da Turner aber bereits gerichtsmedizinische Erfahrungen hatte, fiel ihm sofort auf, dass er offensichtlich Knochen vor sich hatte, die aussahen wie diejenigen der Opfer von Gewalteinwirkung, die er in den Police Departments gesehen und untersucht hatte. Da Turners Arbeit in Flagstaff beendet war, nahm er die Knochen mit an die Arizona State University, wo er als Professor tätig war.
1968 stelle er seine Untersuchungsergebnisse, die er bei der Erforschung dieser Knochen erlangt hatte, in einem Vortrag zur Diskussion, den er während eines archäologischen Meetings in Santa Fe hielt. Turner berichtete, dass diese Knochen vom Polacca Wash zu einer Gruppe von dreißig Leuten gehörten, die meisten davon Frauen und Kinder, die getötet und mit Gewalt zerstückelt worden seien. Insbesondere die Köpfe zeigten große Schäden. Jeder der Schädel war eingeschlagen worden, meist von vorne, mitten ins Gesicht des Opfers, und dies zu einem Zeitpunkt, da sich das Fleisch noch an den Knochen befunden hatte. Offensichtlich war dies geschehen, um die Gehirne zu entnehmen. Die restlichen Knochen, so berichtete Turner weiter, zeigten Kratzspuren, Schnittspuren, Spuren von Schlägen, Zersplitterung, Gemetzel, Zerfleischung und darüber hinaus auch noch Brandspuren. Die größeren Knochen waren in kleine Stücke zerbrochen worden, wohl, so vermutete er, damit sie in einen Kochtopf hineinpassten. Olsen, der Ausgräber, hatte die Knochen als prähistorisch eingeschätzt. Als Turner seinen Vortrag mit dem Fazit beendete, die Knochen seien wohl die Überreste einer Kannibalenmahlzeit, war es totenstill im Saal. Ungläubige Blicke starrten auf Turner. Bald wurde gemurmelt, und dann drangen die Kollegen auf ihn ein, die ihm klarzumachen versuchten, es müsse eine andere Erklärung für den Befund geben, Turner sei ihm Irrtum.
Während der nächsten Jahre vertiefte sich Turner mehr in die archäologischen Funde, die Spuren von Kannibalismus aufzuweisen schienen. Verwundert stellte er fest, dass er nicht der Erste war, der solche Spuren in diesem Sinne gedeutet hatte, und las mit Interesse die spärlichen Aussagen der Ausgräber und Scherbensucher des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wie Wetherill, Hough, Fewkes, Hodges, Pepper und anderer. Es wunderte ihn nach der Reaktion auf seinen Vortrag in Santa Fe nicht, dass diese Aussagen und Vermutungen damals niemand ernst genommen hatte.
1988 wollte Turner seine Kannibalen-Hypothese auf der 51. Pecos Konferenz vorstellen, immer noch eines der wichtigsten regelmässig abgehaltenen archäologischen Meetings in Nordamerika, diesmal in Dolores, Colorado, stattfindend. Man plante Turner mit ein, und laut Programm sollte es innerhalb der Konferenz ein Mini-Symposium geben über Kannibalismus. Doch buchstäblich in letzter Minute musste das Programm umgeschmissen werden aufgrund erboster Anrufe eingeladener Referenten und Teilnehmer und aufgrund der Androhung von Störungen, falls das Mini-Symposium stattfinden solle. Es war das erste Mal in der Geschichte der Pecos Konferenz, dass ein Programmteil abgesagt werden musste, da die Planer des Meetings negative Schlagzeilen befürchteten.
Anfang der 1990er Jahre untersuchte der Paläoanthropologe Tim D. White Knochen eines Anasazi-Ausgrabungsplatzes im Mancos Canyon, Süd-Colorado. Auch er fand Spuren, die seiner Meinung nach auf Kannibalismus zu deuten schienen. Und nicht nur das, die Knochen zeigten Spuren, als seien sie während des Kochvorgangs im Gefäss umgerührt worden, wobei sie sich an den Wänden des Gefässes rieben.
White und sein Team machten daraufhin ein Experiment. Die Männer zerbrachen einige Maultierknochen und legten sie in eine exakte Nachbildung eines Anasazi-Kochtopfes, gefüllt mit Wasser. Auf einem Ofen wurde der Topfinhalt drei Stunden lang erhitzt und dabei gelegentlich mit einem Holzstab umgerührt. Das Fett aus den Knochen stieg an die Wasseroberfläche und gerann am Topfinnern, einen Fettrand formend von ca. einem Zentimeter Dicke. Zuletzt wurde alles umgefüllt, und White nahm einen der Knochen und schabte damit den Fettring von der Innenseite des Topfes ab. Unter dem Mikroskop zeigten diese Tierknochen dieselben Schabespuren, wie White sie an den Menschenknochen gesehen hatte. Der Knochen, den White benutzt hatte, um das Fett herauszuschaben, zeigte ein Muster von Kratzern, das exakt denen der Mancos-Knochen glich. White nannte dies den "Topf-Schliff".
Als Turner von diesem Forschungsergebnis erfuhr, nahm er sich noch einmal viele seiner bereits untersuchten Knochen vor und fand auch hier Spuren von Topf-Schliff. Die Spuren waren immer nur an den Enden der Knochen, nicht an den Längsseiten, wie es auch zu erwarten war. Turner wiederholte Whits's Experiment und konnte den Topf-Schliff bestätigen.
Turners Kannibalismus-Hypothese stiess auf erbitterte Ablehnung in einer Zeit, wo alles Indianische auf einmal als spirituell und wundervoll betrachtet wurde. Die meisten Leute wollten glauben, dass alles Böse und Kriegerische erst durch die Weissen nach Nordamerika gelangt war - davor sei alles wahr, schön und friedlich gewesen. Die Anasazi? Freundliche Wesen im Einklang mit Mutter Natur. Und unter diesen friedlichen Wesen sollte Kannibalusmus stattgefunden haben? Niemals! Turner's Kannibalen waren ein Ärgernis für Indianer, eine Zumutung für Archäologen und eine grauenvolle Vorstellung für New Ager. Kannibalismus war etwas absolut Negatives: Kannibalismus ist böse, und böse Menschen sind Kannibalen. Bitterböse Briefe verstopften Turners Briefkasten, und Wissenschaftler sagten Meetings ab, an denen er teilzunehmen gedachte. Der National Geographic zitierte Kurt Dongoske, einen Archäologen vom Stamm der Hopi: "Anasazi-Kannibalismus kann erst bewiesen werden, wenn man menschliche Spuren findet in prähistorischen Exkrementen!" Das hätte er wohl besser nicht sagen sollen, man soll schlafenden Hunde ja bekanntlich nicht wecken...
Brian Billman, ein Assistenz-Professor an der University of Northern Carolina, und ein Team begannen 1992 mit Ausgrabungen in den Sleeping Ute Mountains, Utah. An einer Stelle am Cowboy Wash machten er und seine Kollegen eine grausige Entdeckung. Zu Beginn der Ausgrabungen hatten sie all das gefunden, was eine typische Anasazi-Fundstätte ausmacht: einige Räume, einen Abfallhaufen und Kivas, alles aus der Kollaps-Zeit nach dem Chaco-Phänomen stammend.
Als die Männer die erste Kiva ausgruben, fanden sie einen Stapel zerkleinerter, gekochter und angebrannter menschlicher Knochen an der Basis eines Ventilatorschachtes. Es machte den Eindruck, als ob die Knochen draussen auf dem Boden über der Kiva zerkleinert und gekocht und hernach in den Schacht herabgeworfen worden waren. Es gab Schnittspuren an den Knochen von Steinwerkzeugen, und die langen Knochen waren alle in handliche Stücke zerbrochen worden, passend für den Kochtopf oder auch, um das Mark herauszuholen, so vermuteten die Ausgräber.
In einer zweiten Kiva fand das Team die Reste von fünf Menschen. In diesem Fall schienen die Knochen im Innern der Kiva bearbeitet worden zu sein. Diese Knochen sahen eher aus wie geröstet. Schnittspuren waren zu sehen an den Stellen, wo Muskeln gewesen waren, anscheinend waren die Knochen vor dem Zerbrechen in Teile erst noch entfleischt worden. Die Schädel von zwei dieser Menschen waren ins Feuer gelegt worden, geröstet und aufgebrochen, hier war wohl das gekochte Gehirn herausgeholt worden. In derselben Kiva wurden Steinwerkzeuge gefunden: eine Axt, Faustkeile und zwei grosse Steinsplitter mit rasiermesserscharfen Kanten.
Billman untersuchte diese Werkzeuge später im Labor und konnte feststellen, dass die zwei grossen Steinsplitter Reste menschlichen Blutes enthielten.
Insgesamt hatte man hier in der Ruine am Cowboy Wash die Überreste von zwölf Menschen gefunden, von denen nur fünf bestattet worden waren. Die anderen sieben schienen systematisch zerstückelt worden zu sein, die Knochen übel zugerichtet und in einigen Fällen verbrannt oder gekocht. Sie waren zurückgelassen worden wie nach einem Mahl. Schnittspuren, Brüche und andere Spuren von Steinwerkzeugen waren auf den Knochen eindeutig zu identifizieren, und die helle Farbe einiger Stellen schien vom Kochen herzurühren. Die Brandmuster liessen erkennen, dass etliche Knochen in Brand gesteckt worden waren, solange noch das Fleisch an ihnen war.
In der Asche der Hauptfeuerstelle machten Billman und sein Team einen extrem unüblichen Fund. Es handelte sich um einen undefinierbaren Klumpen irgendeines Materials, der als "makrobiotisches Überbleibsel" beschrieben wurde - Teile einer unidentifizierbaren Pflanze. Ein Ausgräber verpackte den Klumpen in einen Behälter.
Gross war die Überraschung des Teams, als der Klumpen im Labor untersucht wurde und man erkannte, mit was man es tu tun hatte: mit einem getrockneten menschlichen - Scheisshaufen (oder wie es Archäologen vornehm ausdrücken: Koprolith). Nachdem damals das Feuer der Kannibalen erkaltet war, so vermutete Billman, hatte sich wohl einer von ihnen dort "erleichtert".
Billman sandte Teile des prekären Fundes an das Labor der University of Nebraska, um sie analysieren zu lassen. Das erste Ergebnis war: die Probe enthielt keine Pflanzenreste, sondern sie bestand aus verdautem und ausgeschiedenem Fleisch. Eine Pollenanalyse ergab zudem, dass der Haufen in einem späten Frühling oder im Frühsommer entstanden war - just die Jahreszeit, zu der der Überfall stattgefunden hatte.
Noch aber war nicht bekannt, ob das verdaute und ausgeschiedene Fleisch im Exkrementhaufen menschlich gewesen war. 1997 stellte Billman die Untersuchungsergebnisse der Ausgrabungen auf einem Meeting der Society of American Archaeology in Nashville vor. Nach seinem Vortrag lernte Billman Richard Marlar kennen, einen Biochemiker, der sich sehr interessiert zeigte an den Daten der Exkremente. Marlar schlug Billman vor, ihm einige Proben des Koprolithen und einige Stücke der am Ausgrabungsort gefundenen Anasazi-Gefässe zur Untersuchung zuzusenden. Er wolle versuchen, zu bestimmen, ob man hier Kannibalismus vorliegen habe, oder nicht. Billman kam dieser Bitte gerne nach.
Marlar arbeitete am Health Science Center der University of Colorado in Denver. Das Kernproblem war nun, eine Möglichkeit zu finden, menschliches Gewebe zu identifizieren, das durch einen menschlichen Verdauungsapparat hindurchgegangen war. Marlar untersuchte die Proben auf Myoglobin, ein Eiweiss, das nur in Skeletten und im Herzmuskel des Menschen gefunden wird, und das nicht in den Verdauungsapparat gelangen kann, ausser durch essen. Als Kontrollproben dienten zahlreiche Stuhlproben der Patienten des angeschlossenen Krankenhauses. Marlar führte zahlreiche verschiedene Analysen durch, auch von den Keramikgefässen, um festzustellen, ob sie Spuren von menschlichem Protein der Knochen enthielten.
Alle Ergebnisse waren gleich positiv, es musste Kannibalismus stattgefunden haben, menschliches Protein konnte sowohl in den Exkrementproben als auch an den Innenwänden zweier verschiedener Töpfe, einer Servierschüssel und an sechs Steinwerkzeugen festgestellt werden. Der Mensch, der sich damals über der erkalteten Feuerstelle erleichtert hatte, hatte in der Tat menschliches Fleisch gegessen, verdaut und ausgeschieden.
Als Turner 1999 sein Buch "Man Corn" herausbrachte, das all seine Forschungsergebnisse von inzwischen mehr als 15.000 untersuchter Skelette enthielt und das vehement die Kannibalismus-Hypothese vertrat, entfachte er erneut heftige Debatten. Von The New Yorker über Science bis zur Washington Post stürzten sich zahlreiche Zeitungen und Magazine ebenso wie Radiosender und TV-Anstalten mit Begeisterung auf das gruselige Thema. Deftige Schlagzeilen machten mit einem Mal Themem und Wissensbereiche wie Skelettanalysen, Gerichtsmedizin und Paläopathologie - zumindest für eine Weile - äusserst populär.
Turner beschrieb in seinem Buch die Knochenfunde von Ausgrabungsplätzen in New Mexiko, Arizona, Colorado und Utah (der Anasazi-Region): in 54 von 76 Fällen gab es Belege für Kannibalismus. Insgesamt waren hier allein in den untersuchten Ruinen gut dreihundert Menschen abgeschlachtet, gekocht oder gegrillt und gegessen worden. Fast alle Fälle fielen in die Zeit des Kollaps nach dem Chaco-Phänomen, dazu kamen noch zahlreiche Fälle von Gewaltanwendungen. Nach Meinung von Turner konnte der Kannibalismus weitgehend begrenzt werden auf das Anasazi-Gebiet.
Wer aber waren diese Kannibalen? Tuner sympathisierte mit der mesoamerikanischen Erklärung und wollte seinen Lesern heraufgewanderte Tolteken schmackhaft machen. Es gibt jedoch keinen archäologischen Beweis für Kannibalismus in Mittelamerika. Kritiker witzelten denn auch gerne über Turners "toltekische Schlägertypen". Man wisse doch noch gar nicht, so Kollegen Turners, wer die Esser waren und wer die Gegessenen. Freunde? Verwandte? Sklaven? Fremde? Feinde? Turner antwortete auf solche und ähnliche Einwände einmal im Spass: "Es gibt noch eine kleine Chance, dass dies Aliens getan haben!" Mythen der Navajo um menschenfressende Riesen und der Zuni um Kannibalen-Dämonen helfen hier auch nicht wirklich weiter.
Doch warum waren überhaupt Menschen verspeist worden? Allerorten spekulierten diejenigen, die an Turners Kannibalen glaubten, über vom Hunger Getriebene, über rituelle Bräuche, religiöse Gründe, über Sozialpathologie, Unterdrückungsmassnahmen und Bestattungsbräuche. Hunger, so meinte Turner, könne nicht die Ursache gewesen sein für den Kannibalismus des Südwestens, denn Hunger erkläre nicht die extremen Verstümmelungen der Körper vor dem Konsumieren oder die grossen Mengen an Knochen, manchmal von über fünfzig Menschen auf einmal (das ist immerhin eine ganze Tonne geniessbaren menschlichen Fleisches).
Doch es gab neben den Erklärungsversuchen noch andere Reaktionen auf Turners Buch. Peter Bullock, ein Anthropologe am Museum of Nex Mexico verwarf Turners Hypothese mit einem kurzen und knappen: "Ein Witz!" Auch Kurt Dongoske, der selbst nach dem Myoglobin-Nachweis in Billman's Exkrementhaufen noch immer zweifelte, blieb dabei: "Turner hat gar nichts bewiesen!" Hätte es Kannibalismus gegeben, dann hätten es die Indianer auf Felsbildern dargestellt, so Dongoske. Die Hypothese, davon sei er überzeugt, sei nichts weiter als eine weitere Verunglimpfung der Indianer.
Wie man sieht, die Kannibalismusfrage war ein äusserst emotionsgeladenes Thema. Es wurde von den Konsumenten der Massenmedien hungrig verschlungen, und es brachte die Gänsehaut ebenso angenehm zum Vorschein wie ein Stephen King-Thriller oder ein Drakula-Film. Für eine ganze Weile waren Turners Kannibalen das heisseste Thema in der Südwest-Prähistorie. Turner sagte einmal resigniert: "Ich bin der Bursche, der die Anasazi zu Fall brachte." Turner wurde gar vorgeworfen, er schädige den Anasazi-Tourismus. Nun, wie alle kennen das menschliche Wesen gut genug, um zu wissen, dass Turners Buch über blutrünstige Kannibalen eher für noch mehr Zustrom in alten Anasazi-Ruinen gesorgt haben dürfte!
Literatur:
Cart, Julie: Did Cannibalism Kill Anasazi Civilization? In: Los Angeles Times, www.trussel.com/prehist/news128
Ermel, Gisela: Das Anasazi-Rätsel. Leipzig 2005
Hartigan, Rachel: Dying for Dinner? In: U.S. News, www.usnews.com/usnews/doubleissue/mysteries/anasazi
Prestion, Douglas: Cannibals of the Canyon. In: The New Yorker, 30. November 1998
Turner, Christy G. / Jacqueline Turner: Man Corn. Salt Lake City 1999
Mehr zum Thema:
Das Anasazi-Rätsel.
Masterplaner, Kannibalen und Kachinas: Auf den Spuren eines verschwundenen Volkes.
Bohmeier-Verlag, Leipzig 2005
ISBN 3-89094-448-5
200 Seiten, mit Abbildungen
Hallo,
AntwortenLöschenvielen lieben Dank für diesen hochinteressanten Artikel!
Als Literaturtipp möchte ich noch folgendes anfügen:
Oscar Kiss Maerth - Der Anfang war das Ende - Der Mensch entstand durch Kannibalismus.
Ein sehr interessantes Werk, welches anhand zahlreicher Indizien belegt, dass alle Menschen durchweg (seit ca. einer Million Jahren) Kannibalismus ausübten. Und das auf der ganzen Welt - dort wo es Menschen gab, gab es auch Kannibalismus!
Begehrte Beute war meistens der Kopf (also das Gehirn) und weniger der Rest. Aus diesem Grund findet man auch häufig nur aufgebrochene Schädel ohne den dazugehörigen Rumpf bei Ausgrabungen!
Ich grüße!
Vielen Dank für den interessante Hinweis!
AntwortenLöschenEin Gedanke, der mir eben beim Lesen des Artikels kam und auf den Turner selbst sogar "im Spaß" eingegangen ist, war, daß es vielleicht sogar die ominösen "Kulturbringer" selbst gewesen sein könnten, die sich da ein "Festmahl" genehmigt haben. Das würde zumindest erklären, warum viele Anasazi sich in leicht zu verteidigende Felsstädte zurückgezogen haben.
AntwortenLöschenFraglich, ob eine Genanalyse helfen könnte (falls die Gentechnik hierzu in der Lage ist) Aufschluß über die beteiligten Personen (also Esser und Gegessene) zu geben.
Auf jeden Fall sehr interessanter Artikel.
Vielen Dank und viele Grüße.